Objektivität bei der Netzplanung

Dieser Beitrag ist als Editorial in der Zeitschrift "Netz und Recht" am 02.04.2020 erschienen.

 

Ein leistungsfähiges, gut geplantes Stromnetz ist die notwendige Bedingung für eine kosteneffiziente und erfolgreiche Energiewende. Denn teuer ist nicht das Netz – es ist der günstigste Speicher, den wir haben und unbedingt brauchen um die Produktion erneuerbarer Energie und den Verbrauch zeitlich und räumlich zusammenzubringen. Teuer sind politischen Entscheidungen, die auf Partikularinteressen gründen und Fachwissen sowie die qualifizierte Einschätzung der Bundesnetzagentur übergehen.

Landespolitisch gesehen kann der im Juni 2019 unter der Ägide des Bundeswirtschaftsministers Peter Altmaier erwirkte Dreiländerkompromiss als Erfolg verbucht werden. Aus Sicht der Netz- und Systemdienlichkeit kann dies hingegen kaum gesagt werden: der Verzicht auf die P44 kombiniert mit der vorgezogenen Erweiterung des SüdOstlinks schafft zwar auf mittlere Sicht überregionale Entlastung, doch der nächste Stromstau von Nord nach Süd ist bereits absehbar und auch die regionalen Netzprobleme werden nur reduziert, aber nicht gelöst. Durch die Aufnahme weiterer Abschnitte in die Erdverkabelung werden die über die Netzentgelte auf die Gesellschaft umgelegten Ausbaukosten nur steigen können und den Bau weiter in die Länge ziehen.

Die Umsetzung der Energiewende ist gesellschaftlich gewollt und politisch beschlossen, ebenso wie das Ziel die Industrie an ihren deutschen Standorten zu erhalten und Deutschlandweit eine sichere und möglichst kostengünstige Stromversorgung zu garantieren. Wenn es hingegen möglich erscheint, Entscheidungen allein durch genug Druck entsprechend kurzfristiger Einzelinteressen zu ändern, verliert das gesamte Projekt an Legitimität. Wenn sich Leitungen einfach wegverhandeln lassen, warum dann nicht gleich noch eine weitere?

Aus diesem Grund muss die Netzplanung weiterhin auf fachlichen Bewertungen der Anforderungen an Versorgungssicherheit, Netzstabilität, Naturschutz und Wirtschaftlichkeit beruhen. Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger stehen nicht im Gegensatz hierzu. Durch einen Dialog auf Augenhöhe über die Notwendigkeit des Netzausbaus und echte Beteiligung, die Vorschläge der Anwohnerinnen und Anwohner tatsächlich mitaufnimmt in den Planungsprozess, können nachhaltige und akzeptierte Lösungen erarbeitet werden. Die Willkür föderalistischer Rangeleien hingegen torpediert den Erfolg der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Energiewende indem sie notwendige Maßnahmen des Netzausbaus in die Zukunft verschiebt und damit die Kosten für die Gesellschaft in die Höhe treibt.

Es bleibt abzuwarten, für welchen Weg sich die Bundesregierung bei der anstehenden Aktualisierung des Bundesbedarfsplans entscheidet – den der politischen Interessen oder den der fachlichen und gesamtgesellschaftlichen Notwendigkeit.